Liebe Gemeinde!

Seit quälend vielen Jahren zerstört der Missbrauchsskandal das Vertrauen in die Katholische Kirche und ihre Amtsträger. Auch wenn sich Kindesmissbrauch nicht allein in der Kirche ereignet, in dieser Institution hätte man es am wenigstens erwartet. Zu Recht empört sich deshalb die Öffentlichkeit in besonderer starker Weise über unsere Kirche.

Es zeigt sich heute immer klarer, wie sehr gerade die Strukturen der Kirche Missbrauch erleichtert haben und verdecken halfen. Auch in einer Gemeinde unseres Pastoralen Raumes wurde vor dreißig Jahren in einem solchen Fall ausschließlich kirchenintern gehandelt und allein mit Versetzung reagiert. So aber darf das nicht sein! Es darf nicht um Täterschutz gehen, sondern um das zu-Wort-kommen und Recht-finden-lassen und Aufrichten der Betroffenen.

Darum ist es gut, daß jetzt endlich eine erste umfassende Untersuchung zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche in Deutschland vorliegt. Sie wird in der kommenden Woche veröffentlicht. In Vertretung unseres erkrankten Bischofs nimmt unser Generalvikar dazu Stellung. Sein Brief richtet sich an die Hauptamtlichen des Bistums, ist aber für alle wichtig. Sie können diesen Brief nach dem Gottesdienst  mitnehmen, denn Kopien liegen hier in der Kirche aus.

Unser Generalvikar schreibt: „In den vergangenen Tagen wurden erste Ergebnisse zur Untersuchung des Missbrauchs in der katholischen Kirche Deutschlands vorab bekannt. Sie haben die Zahlen und das Ausmaß des damit verbundenen Leids genau wie ich bestürzt und entsetzt wahrgenommen. Uns allen kommen die Worte unseres Bischofs ins Gedächtnis, die er im Jahr 2010 gesagt hat: Ich bin erschüttert und beschämt! Die Missbrauchsstudie in Gänze liegt uns im Bistum zum Zeitpunkt meines Schreibens noch nicht vor, so dass wir sie noch nicht umfassend bewerten können. Beschämt müssen wir aber schon heute feststellen, in welch furchtbarem Ausmaß sich Geistliche unserer Kirche dieses Verbrechens schuldig gemacht haben. Derzeit können wir Folgendes sagen: Im Rahmen der Studie wurden auch in unserem Bistum noch einmal alle Personalakten auf Angaben durchsucht, die sexuellen Missbrauch durch Geistliche belegen oder darauf hindeuten. Für den Erhebungszeitraum der Studie von 1946 bis 2015 wurden in unserem Bistum insgesamt 35 Beschuldigte und 68 Betroffene ermittelt, teilweise dadurch, daß sich Betroffene gemeldet haben, teilweise durch Akteneinsicht. Wir beabsichtigen, im Anschluß an die Pressekonferenz der Deutschen Bischofskonferenz am 25. September eine eigene Pressekonferenz in Osnabrück durchzuführen, bei der wir ausführlich und differenziert über unseren Beitrag zur Studie und über weitere Maßnahmen zur Aufklärung und Prävention von sexuellem Missbrauch informieren wollen. Die systemische Aufarbeitung des Missbrauchs in der Kirche steht erst am Anfang. Die Studie liefert dazu einen wertvollen Beitrag und hoffentlich weitere Hinweise, die wir in unser Bemühen um kritische Selbstreflexion, wirksame Prävention und konsequente Verfolgung von Fehlverhalten einfließen lassen können. Ein besonderes Augenmerk gilt der Aufdeckung von Machtstrukturen, die Missbrauch begünstigen, um noch genauer zu verstehen, wie es zum Missbrauch in der Kirche kommen konnte. Gerade in dem Wissen, wie schwer für Betroffene der Schritt ist, sich jemanden anzuvertrauen, dürfen wir nicht müde werden, alle, die eine solch schreckliche und verachtenswürdige Erfahrung machen mussten, zu ermutigen, sich an die benannten Ansprechpartner zu wenden. Gemeinsam ringen wir um einen ehrlichen und mitfühlenden Weg, der Antwort auf das Leid und den Schmerz der Opfer gibt und gleichzeitig dazu beiträgt, dass Kinder, Jugendliche und erwachsene Schutzbefohlene künftig sicher bei uns leben und sich entfalten können. Theo Paul, Generalvikar“

Sie können diesen Brief unseres Generalvikars nach dem Gottesdienst mitnehmen. Ich habe ihn hinten in der Kirche ausgelegt.

In St. Raphael müssen seit vielen Jahren alle Hauptamtlichen ein qualifiziertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Ehrenamtliche, die im Rahmen der Gemeinde mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, müssen sowohl eine Selbstverpflichtung als auch eine Straffreiheitserklärung abgeben. Ist eine Übernachtung dabei, benötigen erwachsene Gruppenleiter bzw. Ehrenamtliche ebenfalls ein qualifiziertes polizeiliches Führungszeugnis. In der Gruppenleiterrunde und bei den Freizeitenvorbereitungen kommen regelmäßig Schulungen dazu, die für das Thema noch aufmerksamer und sensibler machen sollen. Herr Egbers-Nankemann ist dabei, das institutionelle Schutzkonzept unseres Bistums für St.Raphael umzusetzen. Trotz aller Präventionen kann keiner neue Übergriffe und Straftaten ausschließen. Ich werde jedem Verdacht nachgehen und dem Missbrauchsverantwortlichen unseres Bistums, Herrn Mecklenfeld, anzeigen.

Ich möchte an dieser Stelle aber ganz deutlich allen Haupt- und Ehrenamtlichen, den Gruppenleitern, Freizeitenleitungen und Katecheten mein Vertrauen aussprechen. Ich bin dankbar über ihr hohes Engagement und ihre Dienste in unserem Pastoralen Raum für die Kinder und Jugendlichen unserer Gemeinde. Und ich bitte Sie, die Gemeinde, ebenfalls, unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach wie vor Ihr Vertrauen entgegenzubringen!

Pfarrer Joachim Dau